Geisterbahn. Tagebuch mit Toten. Roman
Sonntag, 29. Juli 2007 – Vierzehnuhrsechsundfünfzig, achtzehnkommadrei Grad. Windig, wolkig, regnerisch.
Gestern kleine Runde; schwere, schwarze Wolken. Auf dem Heimweg ein Abstecher nach Seckbach, um dort den Friedhof zu suchen. Die erste Frau, die ich nach dem Weg frage, wohnt noch nicht lange hier. Die zweite Frau, deutlich älter, beschimpft mich fast: Sie stehen doch davor! – Ja, aber das ist doch nur der alte Kirchhof der Marienkirche, das sind ja alles uralte Gräber. – Dann weiß ich’s auch nicht; ich bin nicht von hier. – Der nächste, ein alter Mann, weiß es endlich: Die Seckbacher Toten werden auf dem Bornheimer Friedhof beerdigt. Also müßte dort auch Horst Schumann liegen, jener Arzt, der maßgeblich am Euthanasieprogramm der Nazis beteiligt war und der als KZ-Arzt in Auschwitz Sterilisationsversuche mit Röntgenstrahlen durchgeführt hat. Da er als nicht verhandlungsfähig galt, wurde er 1972 aus der Untersuchungshaft in Butzbach entlassen und lebte bis zum 5. Mai 1983 in Seckbach.
Stolpere noch eine halbe Stunde in den bunten Radklamotten über den Bornheimer Friedhof, ohne das Grab zu finden. Und was, wenn er hier gar nicht beerdigt liegt? Und wie kriege ich dann raus, wo?
Lektüre: Joachim Fest, Der Untergang.
Todestag von Cass Elliot, Sängerin, Mitglied von The Mamas and the Papas.
Donnerstag, 26. Juli 2007 – Sechsuhrachtundzwanzig, siebzehnkommasechs. Wird blau heute.
Nachrichten der letzten 24 Stunden: Vinokourov bei weiterer Kontrolle nochmals positiv auf Fremdblut getestet … Fahrer streiken gegen dopende Kollegen … Rasmussen wird ausgebuht … Detonationen entlang der Strecke … Weitere positive Testosteron-Probe bei einem noch ungenannten Fahrer gefunden … Der Sünder heißt: Christian Moreni von Cofidis … Moreni wird festgenommen … Cofidis-Hotel wird durchsucht … Cofidis zieht sein gesamtes Team zurück … Werbekunden meiden die Tour-Berichterstattung bei Sat.1 … Rabobank schmeißt den Träger des gelben Trikots, Michael Rasmussen, raus … Rabobank-Hotel wird durchsucht … Sinkewitz schon fast vergessen …
Warum eigentlich kann ich es nicht lassen? Warum klicke ich alle halbe Stunde die neuesten Nachrichten aus dem Profi-Radsport an? Um der Tour bei ihrem Todeskampf zuzuschauen?
Tot ist Ed Gein, Serienmörder.
Mittwoch, 25. Juli 2007 – Siebenuhrvierundfünfzig, fünfzehnkommaein Grad. Von einer Fensterscheibe im Dachgeschoss gegenüber wird die Sonne reflektiert und blendet so stark, dass ich heute aber auch keinesfalls arbeiten kann …
Der kasachische Rennradprofi Alexander Vinokourov wurde gestern des Dopings mit Fremdblut überführt. Wie sagt man in Frankfurt? “Junge, mach ka Sache!”
Heute vor fünf Jahren starb der Erzbischof von Paderborn Johannes Joachim Kardinal Degenhardt und bescherte damit der Stadt die größte Trauerfeier ihrer Geschichte. In Erinnerung wird er dereinst aber nur deshalb bleiben, weil er ein Cousin von Franz Josef Degenhardt war.
Dienstag, 24. Juli 2007 – Dreiuhrsiebenundvierzig, sechzehnkommaacht, paar Wolken, viele Sterne.
Es ist vollkommen still. Nur dieses sanfte, ferne Rauschen von was weiß ich was. Aber im Haus gegenüber sieht man in einem der Zimmer im zweiten Stock alle zwei Sekunden einen nicht sehr hellen Lichtblitz. Schlafen kann man dabei sicher nicht. Was soll das also? Soll es Einbrechern sagen: Hier ist niemand zu Hause?
Auch lustig, wenn jemand von sich behauptet: “Ich bin der bescheidenste Mensch der Welt.”
Gestern Abend vor Hitchcocks Saboteur eingeschlafen. Das ist mir dann doch zu sehr Agitprop-Kino, unglaubwürdige Twists, Heiligen-Figuren, die jede Wahrscheinlichkeit auf den Kopf stellen, Bekenntnis-Dialoge, Brechtsche Lehrstückästhetik im Dienste des wehrhaften, amerikanischen Patriotismus. – Na komm, so schlecht war der Film nun auch nicht … – Ne, aber eingeschlafen bin ich trotzdem – Ja, aber das tust du doch immer usw.
Peter Sellers ist tot.
Montag, 23. Juli 2007 – Neunuhrelf, siebzehnkommaacht. Bedeckt.
Gerade erst fällt mir auf, dass ich in diesem Jahr erstmals nicht das Sonderheft von ARD und ZDF zur Tour de France gekauft habe. Dabei hatte ich in den vergangenen Jahren schon immer Wochen vor Tourbeginn die Zeitschriftenläden der Umgebung abgeklappert, um wie ein Junkie …
Gestern die schöne Nachricht: “Andreas Klöden zurück gefallen …”
Während der Lesung im Günthersburgpark ging die Auktion des Blumentopf-Stilllebens von Kurt Lauber zu Ende. Einszweidreimeins. Für einen lächerlichen Preis. Und eben finde ich auch noch die Homepage des Fotografen Rüdiger Tantow, der bei Lauber gelernt hat und möglicherweise mehr über ihn weiß als das Netz, das nur äußerst dürftige Informationen bereit hält.
Was eine Zeitschrift von der Intelligenz ihrer Leser hält, kann sich auch in den Fragen offenbaren, die sie ihnen stellt:
Heute vor 99 Jahren wurde in Freiberg die Mörderin Grete Beier öffentlich unter dem Fallbeil hingerichtet. Aus ihrem langen Geständnis: “Ich kann nicht leugnen, dass ich mich zeitweilig als eine Romanheldin betrachtet und damit zeitweilig mein Gewissen beruhigt habe.”
Sonntag, 22. Juli 2007 – Fünfuhrfünf, sechzehnkommaeins.
In der Nachbarschaft bellt ein Hund. Ich werde wach. Der Hund hört auf. Ich kann nicht wieder einschlafen. Stehe auf, schalte den Rechner an, mach mir einen Kaputsch, schlurfe an den Schreibtisch, dämmert gerade erst, recht frisch an den nackten Füßen, weht ein Lüftchen, check die Mails … Is’ aber auch jeden Tag dasselbe.
Vom Nordend mit dem Mazda nach Ober-Mörlen in 25 Minuten. Ja, aber dann schaffen die das mit einem 5er BMW mit Blaulicht und Signalhorn doch in einer Viertelstunde. Oder weniger.
Links MTB-Tankstelle, gegenüber rechts rein in das Wohngebiet. Sportanlagen an der Hüftersheimer Mühle. Auf die Räder. Naturschutzgebiet Magertriften. Linden, Erlen, Wacholder, Schafsgarbe. Ein Schild: Stell dem Wild nicht nach! Hier dann der ausgebrannte Lieferwagen mit der gefesselten, halbverkohlten Leiche auf der Ladefläche. Über den betonierten Feldweg weiter nach Fauerbach vor der Höhe. Vorbei an den Obstbäumen und den silberfarbenen Zwillingstürmen des Hochsilos. Durch den Ort, dann bis Münster kein Auto. Am Ortseingang links, steil hoch bis Wiesental, dort runter, Führerhauptquartier Adlerhorst. Die schmale schöne Talstraße nach Ziegenberg. Ein Reh kreuzt die Fahrbahn. Danke, wie bestellt. Fahrräder anschließen, hoch zum Schloss. Schon schön. Aber überall diese gigantischen Nazibunkerbetonbrocken, aus denen die verrosteten Bewehrungseisen herausragen … Nach Friedberg Eis essen … Heim über die B3 …
Tot ist der Filmregisseur Claude Sautet.
Freitag, 20. Juli 2007 – Dreiuhrsieben, neunzehnkommaacht. Dunkel, aber nicht ruhig. Noch nicht? Nicht mehr?
Aufgewacht, auf die Uhr geschaut. Zweiuhrdreiundvierzig. Nee, oder? Und jetzt. Los, leg dich wieder hin. Da fällt dir doch eh noch nichts ein um diese Zeit. Ja, wirklich, schlafen wär mal wieder schön.
Dass der Fernsehsender SAT.1 seine Nachrichtensparte eingestellt hat, wäre mir nicht aufgefallen und hätte mich nicht gestört. Genau so wenig wäre es mir allerdings aufgefallen und hätte mich gestört, wenn der Sender seinen Betrieb ganz aufgegeben hätte.
Und dass er ausgerechnet jetzt die Live-Übertragung der Tour de France übernimmt, macht ihn etwa so attraktiv, als würde er künftig die Endausscheidungen im Schlammcatchen zeigen.
Todestag von Ernest Mandel.
Mittwoch, 18. Juli 2007 – Siebenuhracht, einundzwanzigkommafünf. Wirklich blau. Ein kleines Wölkchen über der Martin-Luther-Str. 39.
Was war denn da nun los, gestern auf dem Alleenring? Vollsperrung in Richtung Osten, zwanzig, dreißig Einsatzfahrzeuge, Feuerwehren, Notärzte, Polizei. Zwei Männer auf dem Dach, aber sonst nichts zu sehen. Und im Netz ist selbst
fünfzehn Stunden später keine Nachricht über den Vorfall zu finden.
… “unmenschlichste Bedingungen” – Für diesen Superlativ bedurfte es auch erst der Kulturzeit. Aber wirklich amüsant war der Rumpelstilzchen-Auftritt von Rolf Hochhuth. Und die völlige Hilflosigkeit der Moderatorin, mit jemandem umzugehen, der nicht bereit ist, das kulturelle Smalltalk-Einverständnis zu akzeptieren. Von wem stammte noch der Spruch: “Da ging Herrn Hochhuth der Hut hoch”?
Elfter Todestag von Donny the Punk.
Dienstag, 17. Juli 2007 – Vieruhrachtundvierzig, fünfundzwanzigkommadrei Grad. Wie soll man denn bei dieser Hitze schlafen? Oder gar arbeiten?
Gibt es irgend etwas über den Schriftsteller Jörg Fauser zu sagen, das noch nicht gesagt wäre? Wohl kaum. Aber man kann das Gesagte auf niedrigerem Niveau wiederholen und so den Lesern Gewissheit verschaffen, dass es immer noch ein bisschen dümmer geht. Dass der Kolumnist der Bild-Zeitung Franz Josef Wagner dazu bei jedem Thema in der Lage ist, hat er oft bewiesen. Und dass er das jetzt im Spiegel tut, freut mich. Denn damit offenbart der Kulturteil des Nachrichtenmagazins, wo es ihn schon lange hinzieht.
Und weil zwei Seiten zuvor ein Artikel über den Sänger Damien Rice überschrieben wird mit dem Titel: “Dosenöffner der Herzen”, erfährt man auch endlich, was den Hamburger Redakteuren so in der Brust schlägt. Öffnet man deren Dosen, kommt allwöchentlich dasselbe heraus: Futter für die Trottel mit Abitur.
So aber verschafft mir dieser Montag einen ungeahnten Glücksmoment: als ich nun endlich die Kündigung meines Spiegel-Abonnements abschicke. Wo das Ferkel Wagner schreibt, will ich nicht lesen.
Und hier gleich nochmal Wagner, diesmal aus dem Hause amazon: Liebe Kundin, lieber Kunde! Kunden, die sich für “Der Fall Wagner” von Friedrich Nietzsche interessierten, haben “Richard Wagners “Das Judentum in der Musik”” von Florian Görner bestellt. Daher möchten wir Sie darüber informieren, dass “Richard Wagners “Das Judentum in der Musik”” von Florian Görner soeben erschienen ist. Bestellen Sie jetzt Ihr Exemplar!
Todestag von Lovis Corinth.
Montag, 16. Juli 2006 – Sechsuhrachtundvierzig, vierundzwanzigkommazwei Grad. Sonne, paar Wölkchen, mein Lieber …
Ganze letzte Woche: Deportationen, Auschwitz, Sonderkommandos, Todesmärsche …
Aber vorgestern mal endlich wieder eine sonnige Runde durch die Wetterau. Nicht auf die Geschwindigkeit geachtet, also am Ende zufrieden und so erschöpft, als hätte ich nie zuvor auf dem Rad gesessen. Oben auf dem Hühnerberg gibt es rechts direkt neben der Straße einen Parkplatz. Darauf steht ein weißer Kleintransporter mit Anhänger. Auf der Ladefläche liegen ein Mann in Shorts und eine Frau im türkisfarbenen Bikini auf dem Rücken und sonnen sich.
Gestern Finchers Zodiac. Gut gemacht, tolle Schauspieler. Aber am Ende eben doch Leerlauf. Wenn man weiß, dass ein Kriminalfall nicht gelöst wurde, taugt er nur bedingt als Vorlage für einen Film. Jedenfalls für einen Thriller, von dem man verlangen darf, dass er die Gesetze der Erzähldramaturgie befolgt.
Hinterher mit A. und Chr. Heineken und Mojito trinken auf dem Platz zwischen Holzgraben und Bleidenstraße, vor dem ehemaligen Wienerwald. (Hat der eigentlich einen Namen, dieser Platz?) Muskulär aufgerüstete, tätowierte Herren, hochgeschnürte, gestöckelte Dämchen in einer warmen Sommernacht. Vor der uralten Leuchtschrift des uralten Schmuckgeschäfts kreuzen ständig die Cabrios, dumpf röhren die Porschemotoren und rufen: “Guck mal!”. Überhaupt ruft hier alles: “Guck mal!”. Jemand fährt mit einem Fahrrrad vor, dass aussieht wie ein Chopper. Alle gucken. Ein dünnes Dämchen wirft sich in die Titten und führt ihren Pit Bull vorüber. Alle gucken. Tauchte plötzlich die Nitribitt auf, sie würde hier nicht auffallen. War ja auch ihr Revier.
Zweiter Todestag von Dieter Wellershoff. Hatte ich überhaupt mitbekommen, dass er gestorben ist?
Donnerstag, 12, Juli 2007 – Achtuhrvierunddreißig, sechzehnkommanull. Regen.
Am 3. Februar 1998 fand in Los Angeles ein Sicherheitsmann hinter einem leerstehenden Geschäft die halbnackte Leiche der 38jährigen Paula Vance. Die Frau war sexuell missbraucht und anschließend umgebracht worden. Obwohl das Verbrechen von einer Überwachungskamera gefilmt worden war, konnten die Bilder wegen ihrer schlechten Qualität nichts zur Identifizierung des Täters beitragen. Der Fall blieb ungeklärt.
Im Jahr 2001 begann die so genannte “Cold Case Unit” des Los Angeles Police Department sich erneut mit dem Mord an Paula Vance zu beschäftigen. Die am Tatort gefundenen DNA-Spuren wurden ausgewertet und die Resultate in das “Combined DNA Index System” CODIS eingegeben. Am 8. September 2003 erzielte das System einen Treffer. Der heute vierzigjährige Chester Turner wurde des Mordes an Paula Vance und weiteren neun Frauen überführt. Er ist vorgestern zum Tode verurteilt worden.
Vierzigster Todestag des Malers Otto Nagel (nachlesen!).
Mittwoch, 11. Juli 2007 – Fünfuhrfünfundvierzig, dreizehnkommazwei Grad. Regenwolken, schwarzblau.
Gestern Morgen im Fritz-Bauer-Institut. Schon eigenartig, dass das Institut zur Erforschung von Geschichte und Wirkung des Holocaust jetzt in der ehemaligen Zentrale der IG-Farben untergebracht ist. Verirre mich in den Gängen, gerate in die falschen Querbauten, muss wieder runter und wieder hoch, immer mit diesen Paternostern.
Werner Renz, der Leiter der ‘Abteilung Dokumentation’, empfängt mich, führt mich rum, erzählt, zeigt mir Fotos. Er ist freundlich, unglaublich kenntnisreich, konzentriert, ohne Eifer und trotzdem tief beteiligt. Am Ende gibt er mir Kopien mit von den Luftaufnahmen, welche die amerikanischen Aufklärungsflugzeuge 1944 über Auschwitz gemacht haben. Fotos, die erst Jahrzehnte später überhaupt ausgewertet wurden.
Am Abend dann wieder stundenlang in den Tonbandabschriften des Auschwitz-Prozesses gelesen und lange der Stimme Hermann Langbeins zugehört.
Dabei geht mir jenes Foto nicht aus dem Kopf, das mir Werner Renz am Morgen gezeigt hat. Eine Mutter, von der Rampe in Birkenau kommend, geht mit ihren Kindern über die Lagerstraße in Richtung Krematorium – nicht wissend, was ihr Ziel ist.
Heute vor drei Jahren nahm sich Lothar Baier in Montreal das Leben.
Montag, 9. Juli 2007 – Fünfuhrsiebzehn, achtzehnkommaneun. Fast hell. Wolken.
Ende letzter Woche in Kulturzeit die schwedische Jungsband Johnossi mit dem Song Man Must Dance gehört. Seitdem kreist die Melodie im Kopf wie ein Sommergewitter im Tal.
Was soll das eigentlich: eine Tour de France ohne Herbert Watterott?
Markus Lüpertz: “Ich bin der größte Künstler, den ich kenne.” Und immer wieder gibt es Redaktionen, die einen solchen Satz verbreiten helfen.
Petra Roth am Samstag auf der Kundgebung am Frankfurter Römerberg: “Diese Stadt ist die Stadt der Zivilcourage, des engagierten Bürgers, der das Maul auch aufmacht, der auch handelt – ” … und nun kommt er, der schönste Nachsatz seit es engagierte Bürger gibt … “immer im Rahmen der Gesetzgebung.”
Tot ist Wilhelm Kohlhoff.
Freitag, 6. Juli 2007 – Fünfuhrdreizehn, dreizehnkommaacht. Regen? Glaub schon.
Tot ist die elfjährige Bauerntochter Maria Goretti aus Agro Pontino. Am 5. Juli 1902 hatte der 18-jährige Sohn des Gutsbesitzers, Alessandro Serenelli, versucht, das Mädchen zu vergewaltigen. Weil Maria sich wehrte, stach er mit einem Messer auf sie ein. Trotz einer Notoperation starb sie einen Tag später. Schon sterbend verzieh s
ie ihrem Mörder und wünschte sich, ihn im Himmel bei sich zu haben. Serenelli wurde nach 27 Jahren Haft entlassen und trat in das Kapuzinerkloster von Macerata ein, wo er 1970 starb. Maria Goretti wurde heilig
gesprochen.
Donnerstag, 5. Juli 2007 – Fünfuhrsiebenundzwanzig, dreizehnkommaacht. Hell. Frisch. Wolkig. Seit anderthalb Stunden Kopfmüll.
Mengen von Orangensaft. Cappuccino. Mails gecheckt. Aktuelle Nachrichten durchgesehen. Spiegel online. New York Times. Leiche in Bedford Stuyvesant gefunden. Über Scamming auf dem New Yorker Wohnungsmarkt gelesen. Geguckt, ob sich auf dem Lampenmarkt was getan hat. Was ist eigentlich mit Pickton? Mail an Christian. Frau entdeckt in der Kühltruhe ihres Gastgebers zwei Leichen, logisch, in Belgien. Gähnen dient der Gehirnkühlung. Warum Frauen schneller frieren als Männer. Der Krankenschwesternmord in Bayreuth – Wenn schon der Anwalt eines Angeklagten lebenslange Sicherungsverwahrung fordert: “Hier hat die Verwerflichkeit ihren Höhepunkt gefunden”. ebay Suchanfragen. Neue Angebote Ihrer bevorzugten Verkäufer. Papierkorb leeren. Billige DVDs bei amazon. Nee, nix dabei. Überall poppt Bruce Willis auf. Schon wieder ein angebliches Pechstein-Bild in der Versteigerung, und immer fallen ein paar Bieter drauf rein. Könntest dich mal wieder rasieren. Und Friseur? Ja, Friseur! Doch mal in den Radsport geschielt: Petacchi nicht bei der Tour. Klöden fühlt sich erpresst … Ach, Scheiße, halt’s Maul, ich bin schon wieder weg. Mail an Annika. Noch ein Cappuccino … der Tag beginnt …
Heute vor einem Jahr starb an einem Herzanfall der Betrüger, Verschwörer und Freund von George W. Bush: Kenneth Lay.
Mittwoch, 4. Juli 2007 – Vieruhrvierundfünfzig, dreizehnkommaacht. Frisch. Wolkig. Windig. Fast schon hell. Vögel.
In vierzehn von den zwanzig aktuellen Meldungen, die radsport-aktiv gestern unter der Kategorie Profi-Radsport veröffentlichte, ging es um das Thema Doping. Gelesen habe ich weder die einen noch die anderen.
Was macht eigentlich Heike Makatsch? Was macht eigentlich Sophie von Kessel? Was macht eigentlich Anke Engelke? Nicht, dass es mich interessieren würde …
“Sag’ mal, gibt es eigentlich irgend etwas, mit dem du nicht abgeschlossen hast, irgendwas, das dich noch wirklich interessiert …?”
Tot ist Astor Piazzolla.
Dienstag, 3. Juli 2007 – Achtuhrsiebenundzwanzig, siebzehnkommasieben. Wolken.
Statt Nachttischlampe lese ich: Nachtisch-Schlampe.
Genau ein Jahr – von der letzten Tour de France bis zur diesjährigen – haben die Rennradprofis gebraucht, um mein Interesse an ihren Wettbewerben auf Null zu schrauben. Mich interessiert nicht mehr, wer für welche Mannschaft fährt, wer ein Rennen gewinnt und wer wo in den Ranglisten steht. Und schon gar nicht interessiert mich mehr, wer was wann genommen hat. Die Selbstdemontage einer Sportart ist vollzogen.
Gibt es eigentlich etwas, das mehr verblödet als: zu viel Arbeit?
Todestag des grönländischen Schriftstellers Kobuk, der nie geboren worden wäre, wenn es Helmut Qualtinger nicht gegeben hätte.
Montag, 2. Juli 2007 – Siebenuhrsiebenundzwanzig, achtzehnkommazwei. Regen.
Dementi zu den Gerüchten, die durch den Eintrag von Samstag, 30. Juni 2007, ausgelöst wurden: Entgegen allen Vermutungen jener Deutungswilligen, die glauben, jeden Text als Schlüsselroman lesen zu müssen, handelt es sich bei dem genannten A. nicht um Atilla K. (zu dem eine solche Äußerung nicht passen würde) und bei dem ebenfalls genannten St. nicht um Stefan M. (auf den eine solche Äußerung nicht passen würde). Um den Rätselfreunden aber dennoch ihren Spaß zu lassen: Es wurden Nachnamen abgekürzt, nicht Vornamen.
Postskriptum mit den Worten eines gewissen Y. : “Ich habe noch einen anderen Bekanntenkreis.”
Am 2. Juli 1996 nahm sich in Santa Monica Margaux Hemingway das Leben. Durch Selbstmord starben auch ihr Urgroßvater, ihr Großvater, ihr Vater, ein Bruder und eine Schwester.
Sonntag, 1. Juli 2007 – Sechsuhrzweiundfünzig, sechzehnkommasechs. Na klar, Regenwolken
“Berlin (dpa) – Das Bundesarchiv in Berlin hat die NSDAP-Mitgliedschaft der Schriftsteller Siegfried Lenz und Martin Walser sowie des Kabarettisten Dieter Hildebrandt bestätigt. Bei Recherchen über die so genannte Flakhelfer-Generation seien entsprechende Unterlagen aufgetaucht, sagte der zuständige Abteilungsleiter des Bundesarchivs, Hans-Dieter Kreikamp, der dpa. Indirekt zweifelte er Hildebrandts und Walsers Darstellung im Magazin «Focus» an, wonach sie nie einen Mitgliedsantrag unterschrieben hätten.”
Wenn sie doch einfach nur den Mund gehalten hätten, anstatt uns erziehen zu wollen. Oder ihn jetzt endlich halten würden.
Little Joe ist tot.