Geisterbahn

Mittwoch, 18. Juli 2012 – Zehnuhrsiebzehn, zwanzig Grad, in der Sonne dreißig. Der Himmel blau. Bloß paar blasse Wölkchen. Der April geht zu Ende.

Gestern feine Stoffel-Lesung im Günthersburgpark. Wetter hält. Viele Zuhörer, konzentriert. Ich nicht ganz so. Hinterher schwappt der multiple Smalltalk wie eine Welle über mir zusammen. Das Hirn noch heute Morgen ganz verklebt von dem Geschichtenbrei. Wer ist gestorben, wer hat sich getrennt, wer ist wieder zusammen, wer hat mir das alles doch schon mal erzählt? Ich weiß es nicht mehr. Aber so viele freundliche Gesichter von so vielen freundlichen Freunden, dass man für immer darin baden möchte.

Jane Austen ist tot.

Freitag, 6. Juli 2012 – Elfuhrsiebenunddreißig, zweiundzwanzig- kommaneun. Wieder tropisch. Gestern Hagel. Tour de France? Mir doch egal!

Wer hätte gedacht, dass man auf die späten Jahre noch mal Julio Iglesias hören würde … Aber seit wir am Dienstag “Tinker Tailor Soldier Spy” gesehen haben, geht mir “La mer” nicht mehr aus dem Kopf, der alte Schlager von Charles Trenet, den dieser, wie es heißt, in nur zwanzig Minuten auf einer Zugfahrt zwischen Perpignan und Narbonne komponiert haben will. Und nun läuft das Chanson und läuft und läuft. Was Iglesias in seiner Interpretation macht, ist so charmant wie effektvoll. Immer wieder verschleift er eine Endsilbe zu einem Gurren, baut kleine Seufzer, Schnalzer, Stöhner ein. Dass aber auch immer das Einfachste, wenn es gut gemacht ist, eine solche Kraft entwickelt.

Schon das Motto von Houellebecqs “Karte und Gebiet” ist ein kleiner Schatz. Stammen soll es, wenn denn wenigstens das stimmt, von Karl, dem Herzog von Orléans:
Die Welt ist meiner überdrüssig,
Und ich bin es ihrer gleichermaßen.

Heute vor zehn Jahren starb John Frankenheimer.