Dezember 2012
Donnerstag, 20. Dezember 2012 – Fünfzehnuhrsechsundvierzig, zwei- kommadrei. Düster.
Ein Tag, zwei Meldungen:
Wie Spiegel online berichtet, hat der Investor Dan Loeb mit seinem Hedgefond darauf spekuliert, dass die EU-Länder Griechenland mit Milliardenhilfen ihrer Steuerzahler in der Währungsunion halten würden. Nachdem diese Prognose sich bewahrheitet hat und Griechenlands Kreditwürdigkeit hochgestuft wurde, habe Loeb 500 Millionen Dollar Gewinn gemacht. Derweil weisen die griechischen Krankenhäuser hochschwangere Frauen ab, putzen die Ärzte die Klos ihrer Kliniken selbst und bringen sich die Rentner reihenweise um.
Katrin Brand vom Westdeutschen Rundfunk kommentiert den Bericht der Nationalen Armutskonferenz: Die Bundesregierung, sagt sie, könne “an vielen Stellschrauben drehen und die Chancen der Menschen verbessern. Wenn sie das nicht tut, nimmt sie die Armut hin. Auch etwas hinzunehmen, ist eine politische Handlung. Also stimmt es. Ja, Armut ist in Deutschland gewollt.”
Und gerade kommt die Nachricht, dass die Zentrale der Deutschen Bank heute zum zweiten Mal binnen vierzehn Tagen von der Polizei durchsucht wurde. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass es sich bei den Banken um kriminelle Vereinigungen zum Zweck der Ausplünderung des Gemeinwesens handelt.
Weiter in den Buddenbrooks.
Todestag hat Egon von Eickstedt, ein deutscher Anthropologe, was sich schon mal gar nicht gut anhört. Dann schaut man nach und siehe da, er war einer der führenden Rassentheoretiker der Nazis und Gutachter für das “Reichssippenamt”, für das er festlegte, wer als “Jude, Halbjude oder Vierteljude” zu gelten habe. Emeritiert wurde er 1961.
Mittwoch, 12. Dezember 2012 – Zehnuhrneunundvierzig, minus einskommasieben.
Eine Formulierung, die Max Weber für unsere Art des Wirtschaftens gefunden hat: “herrenlose Sklaverei”.
Vorgestern ist die schweizer Opernsängerin Lisa della Casa gestorben. Auf die Frage eines Interviewers, was ihr Mann eigentlich mache, hatte sie geantwortet: “Nun, er liebt mich”.
Gregor Gysi glaubt, um seine Verbundenheit mit den Arbeitern und Angestellten von Opel zu bekunden, ein gutes Haar an der Marke lassen zu müssen und bringt sich selbst dadurch ums letzte: “Immerhin haben sie es geschafft, mit dem Zafira das Auto mit dem Goldenen Lenkrad herzustellen.”
“Ein Maler, der sich gefunden hat, hat sich verloren.” – Magritte
Lektüre: “Buddenbrooks”
Clifton Chenier ist tot.
Montag, 10. Dezember 2012 – Dreizehnuhreinundvierzig, dreikommasechs. Tauwetter.
Tanne, Beton, Höhle, Rost, Nacht, Mond, Pfütze, Tropfen, Schlamm, Borke, Barke, Panzer, Schiefer, Fell, Kiefer, Kufe, Schnee, Käfer, Flügel, Putz, Brand, Nebel, Krone, Schlitten, Leinen, Hunde, Abhang, Steinbruch, Moor, Moos, Strick, Seil, Moder, Knochen, Schädel, Leder, Schatten, Schwanz, Loch, Tenne, Asche, Lehm, Grab, Kreuz, Unterholz.
Kein Wunder, wenn man sich gerade mit Joseph Beuys und Anselm Kiefer beschäftigt, dass so etwas dabei herauskommt.
Von Christiane der Hinweis auf eine kleine Geschichte, die Bill Pryson in seinem Buch “At Home: A Short Story of Private Life” über die wohlhabenden Engländer in der Zeit Henry VIII. erzählt: “Even though sugar was very expensive, people consumed it till their teeth turned black, and if their teeth didn’t turn black naturally they blackened them artificially to show how wealthy and marvellously self-indulgent they were.”
Pinochet ist tot.
Mittwoch, 5. Dezember 2012 – Neunuhrneunundzwanzig, dreikomma- sieben. Grauer Dunst.
Gestern Abend nach langer Zeit mal wieder in dem dicken Band mit Arbeiten von Tapiès geblättert und mit einem kleinen Schrecken festgestellt wie dekorativ, wie geradezu miróhaft gefällig dieser Künstler gearbeitet hat. Gerade so modern, dass seine Arbeiten in jeder Kirche, Kanzlei oder Klinik hängen könnten. Perdu.
In unserer Siedlung leben viele Familien mit kleinen Kindern. Wohl deshalb fand sich dieser Tage im Briefkasten ein Katalog der Firma Intertoys: einhundertvierundzwanzig Seiten, sehr aufwendig gemacht, sehr teuer, Hochglanz, farbig, voll mit fettem, buntem, rundem Plastikspielzeug. Einhundertvierundzwanzig Seiten und jede davon ist ein Anschlag auf den guten Geschmack. Einhundertvierundzwanzig Seiten Schrott. Null Schönheit, null Anspruch, null Qualität. Diese Firma will nichts außer den meisten Menschen so viel wie möglich verkaufen. Diese Firma bedient den Mainstream. Schon klar. Aber man fragt sich, ob man in einer Welt leben möchte, wo die in diesem Katalog abgebildeten Scheußlichkeiten den allermeisten Menschen gefallen.
Tot und vergessen ist Gustav Sack.