Juli 2010
Dienstag, 13. Juli 2010 – Vierzehnuhrsechsundfünfzig, dreißigkommanull. Wölkchen. Feucht. Ich kann ja dieses Wetter leiden.
Gestern in einer Viertelstunde den langweiligsten “Spiegel” seit Menschengedenken durchgeblättert. Das Sommerloch gähnt.
Wie mich das selbstgerechte, konservative Bürgertum gerade anödet. Und weit und breit keine Bewegung zu sehen, die mal frech und klug die Verhältnisse zum Tanzen brächte – keine Linke, keine Bohème, nichts. Nur ein paar muckerhafte Clowns. Und die wenigen kaltgestellten Solitäre – Avantgarde ohne Hinterland. So muss es sich Anfang des 19. Jahrhunderts angefühlt haben, sagen wir nach dem Wiener Kongress.
Morgens, direkt nach dem Aufstehen ein wenig im Netz geschwommen. Und mich auf den Seiten mit Bildern von Oehlen und Kippenberger verloren. Dann den Garten gewässert. Die SZ aus dem Kasten geholt. Das Feuilleton aufgeschlagen. Dort: Ein Artikel über die Ausstellung mit Bildern von Oehlen, Kippenberger, Büttner und Herold in der Potsdamer Villa Schöningen. Na ja, sind auch alle längst eingemeindet … Gegründet hat das Museum Springer-Chef Döpfner, eingeweiht hat es Angela Merkel …
Jean Paul Marat ist tot.
Montag, 12. Juli 2010 – Zehnuhreinundfünfzig, vierunddreißig- kommasieben. Die Welt sagt: War das heißeste Wochenende des Jahres.
Es ist wie immer: Habe ich die Geisterbahn längere Zeit nicht betreten, scheue ich umso mehr davor zurück, es wieder zu tun. Jeder Gegenstand scheint zu mickrig, als dass er der Erwähnung wert wäre.
Letzte Woche schöner, produktiver Nachmittag mit Grusche auf der Terrasse. Wir plotten die Ausgangssituation des nächsten Marthaler-Romans und alles scheint rund. Dann aber, gestern, treffe ich mich bei den Habernolls mit dem ehemaligen Staatssekretär A. Nach einer Stunde wird klar: Meine geplante Konstruktion funktioniert nicht, das ganze Gefüge rutscht mir weg, weil der Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Frankfurter Flughafens bereits drei Monate vor den Wahlen im Januar 2008 ergangen war und von keiner neuen Regierung mehr hätte rückgängig gemacht werden können – jedenfalls nicht, ohne das diese die Landesfinanzen wegen der folgenden Schadensersatzforderungen ruiniert hätte.
In Los Angeles wurde letzte Woche der so genannte Grim-Sleeper Lonnie Franklin festgenommen. Er soll zwischen 1985 und 2007 mindestens zehn Menschen, zumeist schwarze Prostituierte, ermordet haben. Man war ihm auf die Spur gekommen, weil man festgestellt hatte, dass die DNA seines inhaftierten Sohnes große Ähnlichkeit mit der bei den Opfern gefundenen Täter-DNA aufwies. Nun ist in den USA eine Debatte um die Verwertung der “familial DNA” entbrannt.
Heute vor 75 Jahren starb Alfred Dreyfus in Paris. Er ist auf dem Friedhof Montparnasse beerdigt.