Freitag, 27. Mai 2017 – Zwanziguhrdreizehn, noch dreiundzwanzig Grad in Marseillan. Himmel wolkenlos. Nichts über die Bisamratten, nichts über die Mauersegler, nichts über den Wiedehopf und die Tamarisken. Und nichts über die ewige Katzenscheiße im Hofeingang.
Heute nur dieses Zitat aus Sybille Bergs Kolumne, das als Quote of the Year durchgeht: „Wir sitzen doch alle im selben Mist. Wir leben und haben keine Ahnung, wie man aus dieser Nummer mit Würde rauskommt.“
Todestag des Nazi-Vaters Otto Meissner, dessen Nazi-Sohn Hans-Otto Meissner noch 1986 auf Vorschlag von Franz Josef Strauß das große Bundesverdienstkreuz verliehen bekam und der schon 1950 ein Buch veröffentlicht hatte mit dem in diesen Jahren sinnigen Titel „Man benimmt sich wieder“, eine Art Knigge für Nazis, die es jetzt nicht mehr gewesen sein wollten. Dort finden sich Sätze wie: „Aufruhr vergeht, Anstand besteht“ oder „Man sagt keinem Bekannten in Gegenwart Dritter, wie gut ihm früher die braune Uniform gestanden habe.“ Das wird nicht nur dem Strauss gefallen haben.
Dass auch Helma Sanders-Brahms seit drei Jahren tot ist, hatte ich gewusst, aber wieder vergessen.
Donnerstag, 6. April 2017 – Elfuhrsechsundzwanzig, zwölkommasechs Grad. Grau. Frisch.
Ich fluche gewöhnlich, wenn ich – wie gewöhnlich – wieder um vier Uhr wach werde und weiß, dass auch dieser Tag verloren ist. Fluchend gehe ich zum Briefkasten und hole die Zeitung, die gewöhnlich schon da ist. Seit einer Woche haben das Fluchen und das Gewöhnliche ein Ende. Ich vergesse die Zeitung und freue mich stattdessen, wieder früh aufgewacht zu sein und weiterlesen zu können in den Goncourt-Tagebüchern, über denen ich abends eingeschlafen bin.
Dort ein Zitat aus einem Gedicht des vergessenen Poeten Dupin-Pager:
Je crains ce que j’espère – Ich fürchte, was ich hoffe
Gang über den Friedhof Heiligenstock. Auf dem Grabstein einer alt gestorbenen Frau die Inschrift: „Liebe gesucht, nur Leid gefunden“. Wer diesen Satz wohl für sie ausgesucht hat?
„Oh my God!“ nimmt man als Ausruf der Verwunderung hin. „Oh my fucking God!“ darf wohl selbst Verwunderung hervorrufen.
Ein Rennradfahrer zum anderen: „Du bist ja behaart wie ein Mountainbiker“.
Elfter Todestag von Walter Boehlich. Seine ausgewählten Schriften wurden zu einem der wichtigsten Nachkriegsbücher, 2011 unter dem Titel „Die Antwort ist das Unglück der Frage“ erschienen. Und noch immer ist die Erstausgabe dieser 700 Seiten im Handel erhältlich. – Gerade sehe ich, dass Boehlich auch die Lieder Victor Jaras ins Deutsche übertragen hat.