Samstag, 23. Januar 2010 – Fünfzehnuhrsechsundfünfzig, minus nullkommafünf. Fast schon wieder dunkel.
Schön, dass Salvador Dalí tot ist.
Donnerstag, 21. Januar 2010 – Sechsuhrdrei, dreikommazwei Grad. Dunkel. Mit starken Schmerzen aufgewacht.
Istanbul ist eine Stadt, “die sich täglich neu erfindet”, und der Winter “hat uns fest im Griff”. Zwei Formulierungen, die man beim ersten Hören oder Lesen womöglich pfiffig, wenn nicht immerhin chic finden mag. Werden sie aber – wie diese beiden in den vergangenen Wochen – in jeder zweiten Kultur- und Nachrichtensendung wiederholt, sollte es sich für einen Journalisten, der noch einen Rest Berufsehre im Leib hat, von selbst verbieten, sie noch ein weiteres Mal zu verwenden. Wenn es sie denn zusammen überhaupt geben sollte, den Journalisten und die Ehre …
Der freundliche Arzt mit Blick auf das Patientenblatt: “Na, da haben Sie aber einige Romane geschrieben, seit Sie das letzte Mal hier waren.”
Blutdruck okay, Lungenfunktion okay. Aber ich habe eine schwere Blockade. Nein, nein, nicht im Kopf, sondern in der Schulter … Eh sich die Konkurrenz zu früh freut …
Gestorben ist im Alter von 102 Jahren der Träger des Bundesverdienst- kreuzes am Bande Walter Jonigkeit. Seine Angehörigen rufen ihm in der Süddeutschen Zeitung nach, was sie von ihm hielten: “… er war ein Falter, recht sorglos für sein Alter / Er schaute nicht nach hinten / Oft nippte er mal hier, mal dort, nun war er satt und nun flog er fort …”
Immer noch ein wohliges Gefühl beim Gedanken an den “Kleinen Abend Glück” letzten Freitag in Herborn. Volles Haus. Gute Stimmung. Viele CDs verkauft. Danke, Guntram! Wir waren aber auch gut, gell Ati?!
Am 21. Januar 1963 starb in Stuttgart der unglaubliche Franz Jung. Was für ein Mann, was für ein Leben …
Mittwoch, 13. Januar 2010 – Neunuhrzwei, minus dreikommasieben. Immer noch alles weiß.
Am Montag vor einer Woche in Florenz gelandet. Dass ich vom Autoverleiher statt eines Fiat einen Citroen erhalte, nehme ich als gutes Zeichen. Im Schneesturm nach Siena. Hotel Il Chiostro del Carmine, ein Kloster aus dem 14. Jahrhundert. Es regnet jeden Tag. Liege auf dem Bett. Lese Effi Briest. Schaue Fernsehen. Schlafe viel. Die Voltaren von M. sind meine Rettung. Samstag im Regen zurück. Bekomme einen der beiden Flüge, die nicht gestrichen wurden.
In Belgien ist der Lehrer Ronald Janssen aus Loksbergen (Provinz Limburg) festgenommen worden. Er steht im Verdacht, ein Serienmörder zu sein.
Lektüre: Connellys “Scarecrow” und Nürnbergers “Fontanes Welt”.
Todestag von James Joyce.
Mittwoch, 30. Dezember 2009 – Zwölfuhrzwanzig, neunkommafünf. Neblig, grau, feucht.
Will zum ersten Mal ins Gesichtsbuch schauen und werde solcherart begrüßt: “Facebook ermöglicht es dir, mit den Menschen in deinem Leben in Verbindung zu treten und Inhalte mit diesen zu teilen.” Och nö, das möchte ich dann doch lieber nicht.
Seit über dreißig Jahren versuche ich, Theodor Fontane zu lesen. Dass es mir nie gelungen ist, empfinde ich als persönlichen Defekt. Heute Morgen nun, nachdem die dicke Kleiber-Biografie beendet ist, mit der Lektüre von “Effi Briest” begonnen und sofort gezappelt vor Begeisterung. Schaue nach, wann Fontane geboren ist … und … nee, oder? … heute auf den Tag vor 190 Jahren!
Gerade im Autoradio Gustav Holsts “Planets” gehört. Was für eine schauderhafte Musik, selbst unter dem Dirigat des großartigen Charles Mackerras.
Todestag von Waldemar Mueller, Hermann Paul Müller und Heiner Müller.
Dienstag, 29. Dezember 2009 – Zwölfuhrzwei, dreikommaacht. Grau. Schmerzen in Nacken und Arm. Seit Wochen.
Gestern auf 3sat eine halbstündige Einführung in den “Fidelio”. Bleibe dran, um womöglich doch etwas zu lernen.
Und tatsächlich: Ich lerne, dass mir auf diesem Sender ein stammelnder Zausel namens Freya Klier die Welt und die Kunst auf dem Niveau eines Einzellers erklären darf, dass Beethoven seine Oper geschrieben hat, um die DDR zu Fall zu bringen und dass der Komponist, weil er alle Zwänge hasste, sich gerne nackisch gemacht hat – was mir prompt auch visuell zugemutet wird.
Man fragt sich, warum jemand wie Jürgen Schindler, der Macher dieses Films, der so kulturfern, so bar jeden Geschmacks und jeder historischen Kenntnis ist, sich ausgerechnet in diesem Metier blamieren wollte. Und wie verkommen eine Redaktion sein muss, dass sie sich nicht entblödet, einen solchen Scheißdreck zu senden. Gebt mir ein Glas Wasser …!
Auf der International Movie Database mal geschaut, was unter dem Stichwort “Jürgen Schindler” zu finden ist: “Sie und er im Rausch der Wollust”, “Wilder Sex junger Mädchen”, “Summer of Love – Freie Liebe”, “Sex’n’Pop – Spice up your Life”.
Na dann …
Tot ist Jacques-Louis David.
Montag, 28. Dezember 2009 – Vierzehnuhrsechzehn, sechskommanull. So gemischt der Himmel … mit was Blau dabei.
Lustig, wie Patti Smith mit ihrer Crew auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin am Grab von Bertolt Brecht herumturnt. Ist aber nur im Bonus-Material von “Dream of Life” zu sehen. Und ewig lange suche ich wieder nach der Aufnahme des wunderschönen Reggae aus dem Abspann. Heißt offensichtlich “Ps-alm”; die Lyrics bestehen aus Psalmentexten. Aber das Stück scheint es tatsächlich nur in diesem Film zu geben.
Wenn ich von jemandem höre, er sei von Beruf “Lebensberater”, stelle ich mir auf Anhieb einen ganz und gar verzweifelten Menschen vor.
Auf amazon.de in die Stücke von “Adoro” reingehört. Selten so gelacht … Fünf Knödel in Anzügen!
Die Autobiografie eines Menschen, der Bescheidenheit behauptet. Ihr Titel: “Zum Beispiel Ich”.
Carlos Kleiber auf die Frage, ob er nicht Lust habe, mal ein Jugendorchester zu dirigieren: “Ich will einen Rolls Royce fahren und kein Auto konstruieren.”
Am 28. Dezember 1925 nahm sich Sergej Jessenin im Leningrader Hotel “Angleterre” das Leben.
Hand und Wort? Nein laß – wozu noch reden?
Gräm dich nicht und werd mir nicht so fahl.
Sterben -, nun ich weiß, das hat es schon gegeben;
doch: auch Leben gabs ja schon einmal.
Mittwoch, 23. Dezember 2009 – Elfuhrvierundvierzig. Fünfkommazwei. Fleckig, matschig, bedeckt.
Samstag konzentrierter, guter Auftritt im Autorentheater. Sonntag nach Nordhessen und abends im Schnee zurück. Auf der A 7 in den Kasseler Bergen brauchen wir für zehn Kilometer vier Stunden. Montagabend Kennwort Kino – Fünf deutsche Schauspieler im Porträt. Hier tobt sich grinsend die eitle Dummheit des Berufsstandes aus. Am gruseligsten August Diehl. Mit wie viel ungewohnter Freiheit er bei Tarantino einen Nazi habe spielen dürfen …
Gestern Morgen nach Königstein, zwei Stunden bunte Wonne im Kurbad. Mittags ins Städel – die Botticelli-Ausstellung. Schöner als erhofft. Und während wir durch den Barock-Saal stromern, wird dort Sylvia von Metzler gerade von Deutschlandradio Kultur interviewt. Abends durch Schneematsch und Regen zu Jörg, wo wir mit Nudeln und Wein in seinen Geburtstag rutschen. Nach Mitternacht glücklich zurück.
Schönes Wort von Jürgen: entschwoben.
Lektüre: Die dicke Kleiber-Biografie von Alexander Werner.
Alban Berg ist tot.
Samstag, 19. Dezember 2009 – Siebenuhrachtundvierzig, minus zwölfkommasieben. Dämmert. Die Dächer weißlich.
Hat sich ganz schön was angesammelt vor dem Eingang der Geisterbahn, oder? – Tja! – Und? Was machen wir jetzt damit? – Nix! Liegen lassen! Vergessen!
Gestern einfach mal so im Schnee am Friedhof vorbei zur U-Bahn. Einfach mal so in die Stadt gefahren und ins Alte Café Schneider gegangen. Einfach so mit Martin Lücker getroffen und zwei Stunden so pausenlos schön geplaudert, wie ich es sonst mit kaum jemandem kann. Dann bei Rossmann ein neue Ladung Brillen gekauft. Dann frisches Geld gezogen. Dann Gurke gekauft, dann wieder in die U-Bahn, dann wieder zwischen den nun dunklen Gärten und dem Friedhof nach Hause …
Einfach. So. Einfach.
Abends schwer müde, aber ein bißchen Schauen geht noch, oder? Die DVD mit Beethovens Vierter und Siebter. Das Concertgebouw unter Carlos Kleiber. Ein siebzigminütiger Glücksschub. Und jeder zu beneiden, dem das noch bevorsteht.
Heute Nachmittag noch Mal Probe mit Atilla und um 20 Uhr dann Auftritt im Frankfurter Autorentheater in der Brotfabrik: “Ein kleiner Abend Glück”.
Mastroianni ist tot.