Geisterbahn

Donnerstag, 29. Mai 2008 – Neunuhrundsieben, vierundzwanzigkommfünf  Grad. Bedeckt. Laut.

Gestern Abend unter dicken Gewitterwolken in schwülster Schwüle auf dem Rad in die Stadt – im schwarzen Jackett und mit schwarzen Lederschühchen. Um den Hals das schwere Abus-Kettenschloss, das eigentlich für Motorräder bestimmt ist, das ich aber, nachdem man mir das zweite gute Rad gestohlen hat … In die Neue Mainzer Straße, wo im Kundenzentrum der Frankfurter Sparkasse das Stadtgespräch der Rundschau stattfindet: “Frankfurt 2030 – Leitbilder für eine Metropole im Aufbruch”. Verdammt, auf was hab ich mich nur eingelassen? Schon, dass man mit diesen blöden Headsets verkabelt wird … Wirkt wie RTL in den frühen Neunzigern … Dr. Michael Denkel, Stadtplaner des Büros Speer & Partner, sitzt neben mir und spricht. Ich brauche eine Weile, bis ich begreife, dass er alles, was er da von sich gibt, völlig ernst meint. “Global City … Global Player … High Potentials … Green City …” Sein Unternehmen arbeitet im Auftrag der Oberbürgermeisterin an einem Gutachten, das herausfinden soll, wie Frankfurt weiter “eine prosperierende Stadt” und damit “international wettbewerbsfähig” bleiben kann. Aber ein Drittel von dem, was er sagt, ist banal, das nächste Drittel Bluff und das letzte schlicht falsch – vorgetragen das Ganze in einer durchweg imperialen Einschüchterungssprache. Aber einen Slogan hat man schon: “Frankfurt für alle”! Allerdings stellt sich rasch heraus, dass es nicht um alle, sondern um die Vertreter jener so genannten “kreativen Eliten” geht, die man in die Stadt zu locken und an sie binden will, weil sie sonst “wie scheue Rehe um den Erdball nomadisieren”. Als sei die Stadt nicht jetzt schon voll mit diesen hoch bezahlten, bindungslosen Krücken, die jede Gegend versauen, sich in ihren Parallelwelten verschanzen und mit ihrer brachialen, aber stets solventen Dummheit noch immer dafür sorgen, dass das kulturelle Niveau sich weiter in Richtung Puff und Pop bewegt. 

Meine Sehnsucht für ein Frankfurt der Zukunft will man wissen … Nun ja, wenn ich vier Wünsche frei hätte …
1. Dass die Innenstadt autofrei wird.
2. Dass das Euro-Symbol vor der EZB gesprengt wird.
3. Dass auf der A 661 wieder Heidschnucken weiden.
4. Dass Matthias Beltz wiederaufersteht.

Die Banken, heißt es in der Diskussion immer wieder …, neben den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung müsse man in dieser Stadt unbedingt und stets die Bedürfnisse der Banken im Blick behalten. Als ich frage, für was man Banken eigentlich braucht, kann mir niemand eine Antwort geben. 

Jeff Buckley ist tot. 

 Freitag, 23. Mai 2008 – Fünfuhrunddrei, zehnkommadrei Grad. Dämmerig, bewölkt.

Am Mittwoch in Götzenhain. Erst als ich dort ankomme, erinnere ich mich, dass es dieselbe Kneipe ist, in der ich vor zwanzig Jahren immer mal war: der “Hofgarten”. Gehört den Hs., die ich jetzt direkt gegenüber in ihrer alten, umgebauten Hofreite besuche. H. erzählt, dass er nicht nur die M. gekannt habe. Seine Mutter sei  Malerin gewesen, habe sich aber am Frankfurter Schauspielhaus etwas hinzu verdient. Sie sei gelegentlich zum Tennisspielen ins Frankfurter Luftbad e.V. in der Friedlebenstraße in Eschersheim gegangen, wo er, H., ein wenig als Balljunge gearbeitet habe. Dort habe es eine Liegewiese gegeben, wo man sich nackt habe sonnen können – Männer und Frauen getrennt. Eine Kundin des Vereins sei auch Rosemarie Nitribitt gewesen. Tiere allerdings hätten dort nicht mit hinein gedurft, weshalb die Nitribitt öfters ihn gebeten habe, ihren Pudel auszuführen.  

Gestern früh Treffen an der Friedberger Warte. Ati hat verschlafen, Kevin hat verschlafen, Frost hat den Zug verpasst. Kalt ist es trotzdem. Viele Leute sind da, die ich noch nie gesehen habe. Einer von ihnen, J., ist Schuhmacher. In seiner Werkstatt an der Friedberger Landstraße fertigt er Schuhe nach Maß. Interessiert mich sofort. Ich nenne ihn Meister Gepetto, aber Paula klärt mich später auf: Gepetto war gar kein Schuhmacher, sondern Holzschnitzer. Egal, ist ein schöner Name. Jörg springt der Mantel von der Felge, eine Kette reißt, und ich hab kurz nach der Ronneburg einen Platten. Büdingen, viele Espressi, Tartufo Becher, heim, vorneweg immer wieder wie in alten Zeiten: Christoph als Lokomotive. Bin gespannt auf Jörgs Basso. Und auf mein Pinarello. 

Abends ins Bistro da Monica im Oeder Weg. Sieht ein bißchen aus wie ein billiges Campingplatz-Restaurant, aber das Essen ist wirklich … Was rede ich hier eigentlich …?

Tot ist Heinrich Himmler. Am 23. Mai 1945 zerbiss er in einem Verhörzimmer der britischen Militärpolizei in der Uelzener Straße 31 in Lüneburg eine eingeschmuggelte Kapsel mit Zyankali.

Donnerstag, 15. Mai 2008 – Sechsuhrundsieben, vierzehnkommaneun.

Das weiße Pferd ist weg. 

Eines der Worte, auf die ich reflexhaft anspringe: Schreiberling.

Was sind das für Gestalten, die in den Gästebüchern des Netzes anonym abladen, dann aber aus lauter Eitelkeit Spuren legen, auf dass man sie am Ende doch erkenne. 

Endlich das neue Album von Degenhardt gekauft: “Dreizehnbogen”. Gleich vier Mal hintereinander gehört. Das heißt, das Jahr hat seinen Höhepunkt erreicht. Dies kleine Glück muss langen für den Rest. So frei ist kaum ein anderer Geist wie dieser.

Zehnter Todestag des CSU-Poltikers Richard Jaeger, den man auch Kopf-ab-Jaeger nannte.

 

Freitag, 9. Mai 2008 – Fünfuhrdreiundfünfzig, Elfkommadrei Grad. Hell. Was für ein Lärm schon wieder …

Was von der Woche übrigbleibt: 

Montag – Morgens zu Herl in die Nordendstraße wegen Volkstheater. Mittags Treffen “beim Franz” im alten Literaturhaus mit Felix Fichtner von Odeon Film wegen “Ein Fall für zwei” etc.  Abends zum Bahnhof, hole Schimmel ab, bisschen kochen, bisschen dröhnen, bisschen trinken, bisschen sinken – schön. 

Dienstag – Frühstück mit Stefan, Einkauf, Schreibtisch, Garten, Post. Abends ins Volkstheater. Karlheinz Braun, Gisela Dahlem-Christ und Michael Quast stehen schon vor der Tür. Mit Herl auf die Bühne, lesen, reden, dröhnen. Hinterher zu viert zu einem Österreicher neben dem Café Karin. Man hätte ja nichts dagegen, wenn es nicht gleich wieder so fett, so breit, so ostentativ österreichisch daher käme … 

Mittwoch – In den Bus, in die U-Bahn, in den IC nach Stuttgart. Zu Fuß vom Bahnhof zum Hotel “Wirt am Berg” in der Gaisbergstraße. Was für ein Schuppen, was für ein Wirt – graue, lange Haare, Stirnglatze, Pferdeschwanz, immer zu einem schwäbischen Scherzchen aufgelegt. Mein Gott, diese ewige Treuherzigkeit … Zum Schriftstellerhaus in die Kanalstraße, ein schneller Pernod im Bistro, dann in die Buchhandlung Lindemanns, kein Mikrofon, also wieder Druck auf die Stimme geben. Schorlau ist aber doch noch gekommen. Später in sein wirklich gutes Stammlokal – Kotelett vom schwarzen, iberischen Schwein. Mit dem Boxter ins Hotel. Nächtliches Foto aus dem Fenster. So schön ist Stuttgart …

Donnerstag – Mit dem IC zurück. Weiter in Larssons “Verblendung”. Zu Hause ein Buch aus dem österreichischen Ares Verlag, Werner Bräuninger: “Ich wollte nicht daneben stehen” – Über Arno Breker, Ernst Jünger, Leni Riefenstahl etc. Die rechten Kulturrepräsentanten sollen exkulpiert werden. Mal genauer die Geschichte Richard Scheringers anschauen !!! In der “Zeit” das schwache Dossier über Rechtsradikalismus.  Rasenmähen, kochen, müde …

Todestag von Joseph Breitbach. Hat nicht Herburger mal erzählt, dass er Breitbachs Privatsekretär in Paris gewesen sei …? Alles längst vergessen.

20.31 Uhr: Das gibt’s nicht …. gerade sehe ich, dass auch Scheringer heute Todestag hat. 
 

Montag, 5. Mai 2008 – Sechsuhrvierundfünfzig, vierzehnkommavier. Hell. Sonne. Laut.

Traum. Ein belebter sonniger Sandstrand. Plötzlich Aufregung. Man sieht zwei furchterregende, ferkelgroße Hamster kopulieren. Dann beginnen sie einander gegenseitig aufzufressen. Schreiend laufen die Leute davon.
Als alles vorbei ist, bauen Fotografen und Filmer ihre Stative im Sand auf. Schließlich stehen auf ein paar Quadratmetern fünfzig, sechzig dieser dünnen Metallständer mit kleinen Kameras darauf. Die Objektive sind auf nichts gerichtet. Es geht wohl nur darum, die Schönheit der glänzenden, kleinen Geräte im Sonnenlicht zu zeigen. 

Gestern endlich mal wieder Ritzeltour. Nieder-Erlenbach, Marköbel, Altenstadt, Stammheim, Ilbenstadt, Burg-Gräfenrode. Sonne, alles blüht, der Raps, die Blumen, die Obstbäume … Zwei männliche Fasane. Jörg bringt Holunderbier. Alles in allem neunzig Kilometer, am Abend Sonnenbrand. Himbeeren einpflanzen, gießen … wässern …

Am 5. Mai 1949 starb der italienische Autorennfahrer Graf Carlo Felice Trossi im Alter von einundvierzig Jahren am Krebs. 

Montag, 28. April 2008 – Achtuhreinundvierzig, dreiundzwanzigkommaeins. Soll aber wieder schlechter werden.

Die CDU lehnt eine Begrenzung der Managergehälter ab. Parteivize Christian Wulff, staatlich bezahlter Diener seiner privaten Herren, meldet sich pflichtgemäß zu Wort: “Der Staat soll sich nicht in alles einmischen.”

Aber hatten nicht eben noch die Manager nach “mehr Staat” gerufen, als es darum ging, die Milliardenverluste, die sie selbst verursacht hatten, mit Steuergeldern auszugleichen.

Wohl wissend, dass bei den deutschen Lesern nichts so zuverlässig für Auflage sorgt wie der “Führer auf dem Titelblatt”, hat der “Stern” vor genau 25 Jahren Konrad Kujaus “Hitler-Tagebücher” veröffentlicht. Rechtzeitig zum Jubiläum meldet nun der “Spiegel”: “Sensationeller Foto-Fund: Paris unterm Hakenkreuz – in Farbe.” Wenn das kein Frühling ist … 

Im österreichischen Amstetten wurde ein 73-jähriger Rentner verhaftet. Er soll seine heute 42-jährige Tochter am 28. August 1984 in den Keller gelockt, betäubt, mit Handschellen gefesselt, seitdem gefangen gehalten und über Jahre sexuell mißbraucht haben. Insgesamt sechs Kinder entstammen den Vergewaltigungen. 

Am 28. April 1721 starb im Gefängnis am Fieber die englische Freibeuterin und Piratin Mary Read.

Samstag, 26. April 2008 – Tot sind Birgit Dettke, Peter Wolf, Hans-Joachim Schwertfeger, Helmut Schwarzer, Hans Lippe, Monika Burkhardt, Gabriele Klement, Susann Hartung, Ronny Möckel, Ivonne-Sophia Fulsche-Baer, Heidemarie Sicker, Carla Pott, Heidrun Baumbach, Anneliese Schwertner, Rosemarie Hajna, Andreas Gorski.  Erschossen von Robert Steinhäuser, der sich anschließend, am 26. April 2002, selbst das Leben nahm.

Das unten stehende Bild hat Otto Fuchs, z.Zt JVA Butzbach, gemalt.

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Donnerstag, 24. April 2008 – Vieruhrzweiundvierzig, neunkommaneun. Ist der Virus wieder weg? Na, noch nicht ganz. 

Lektüre – Nach “Verblendung” der zweite Stieg Larsson: “Verdammnis”. Das Buch hat 750 Seiten, von denen man, wie es sich anläßt, getrost die Hälfte hätte streichen können. Die Sprache ist holperig und redundant, was nicht nur an der Übersetzung liegen kann. Auch nach 160 Seiten habe ich noch immer keine Vorstellung, um was es überhaupt gehen soll. Die Spannung hält sich in Grenzen. Die Figur der Lisbeth Salander wird immer schillernder und damit nicht eben glaubwürdiger. Wenn sie bei Ikea ihre neue Wohnung einrichtet, erfahren wir über Seiten hinweg, wie die Möbelstücke heißen, für die sie sich entschieden hat … Das alles stimmt. Aber warum komme ich kaum los von diesem Buch? Warum freue ich mich schon jetzt auf den nächsten, noch dickeren, leider letzten Band der Trilogie?

Von Guntram eine Nachricht, von der ich nicht gedacht hätte, dass sie die hörende Welt noch einmal erreichen würde: In Kürze erscheint ein neues Album von Franz Josef Degenhardt! “Dreizehnbogen”. Das wird ein tagelanges Fest …

Am 24. April 1945, als die sowjetischen Truppen bereits die Stadtgrenze von Berlin erreicht hatten, wurde der Jurist Hans Koch von einem Sonderkommando des Reichssicherheitshauptamtes ermordet. 

 

Dienstag, 22. April 2008 – Vieruhrvierundzwanzig, elfkommafünf. Die Autobahn brüllt immer noch. 

Gestern im Polizeipräsidium, krakeelender Auftritt eines fein gewandeten Herrn an der kugelsicheren Eingangskabine: “Ihr Verhalten ist eine Unverschämtheit … Sie sind nicht einmal in der Lage zu grüßen … Können Sie mir jetzt die Information geben, die ich brauche … Sie müssen nur kurz anrufen … das gibt’s nicht, auch dazu ist sie nicht in der Lage … geben Sie mir bitte Ihren Namen, gnädige Frau … haben Sie verstanden, was ich Ihnen gesagt habe, Sie werden doch Ihren Namen wissen …” Der Mann schaut sich hilfesuchend um. Vom Nachbarschalter aus nickt ihm jemand zu: “Ja, habe ich selbe Erfahrung gemacht mit die Dame … Hat mich rumgeschickt durch ganze Stadt … unmeegliche Frau …”

In einer Vitrine des Kriminalmuseums ein paar Utensilien, die zum Matura-Mord gehören.  Gerne hätte ich einen Blick in das Adressbüchlein und in das private Fotoalbum geworfen. Darf ich aber nicht. Wird ohne Erklärung wieder eingeschlossen. 

Am Samstag wurde im niedersächsischen Asche, einem Ortsteil von Hardegsen, die 17-jährige Denise L. nach dem Besuch einer Tanzveranstaltung erschlagen. Unter Tatverdacht festgenommen wurde ein 18-jähriger Bewohner des Ortes. In der Berichterstattung hält sich beharrlich das Gerücht, die Gegend, in der das Verbrechen geschah, heiße Harz. Das ist nicht der Fall. Von Hardegsen sind es fast fünfzig Kilometer bis Herzberg, das den Harz im Westen begrenzt. Aber wer kennt schon eine Gegend namens Solling? Außer ein paar Nazis und Mountainbikern?   

Stundenlang in einem seltsamen Forum unterwegs: CopZone. Dort auch auf die fast unglaubliche Geschichte der jungen Polizistin Silvia Braun gestossen, die sich nach fortwährender massiver Belästigung durch Vorgesetzte und Kollegen das Leben nahm. (Stern 39, 21.9.2000). Das eigentliche Skandalon besteht allerdings darin, wie anschließend polizeiintern mit dem Fall umgegangen wurde. 

Tot ist Linda Lovelace, Autorin des Buches: “Ordeal” 

Donnerstag, 17. April 2008 – Dreizehnuhrachtundzwanzig, zehnkommaneun Grad. Wolken. Die Autobahn brüllt. 

Gestern Abend im Vereinsheim der Cronberger Kleingärtner zum “Tag gegen den Lärm”. Dabei angelesen gegen den Lärm, der von der Theke kam. Was da so rumhockt, was da so trinkt, was da so druckst … 

In der SZ schreibt Gustav Seibt einen klugen, schmerzensreichen Abschied von der kommunistischen Kultur Italiens. Und läßt das Land so ratlos dastehen, wie es nun ist: ein Schaf im Regen … Irgendwo muss doch noch das Bändchen mit Seibts Texten liegen … In den Keller … Jetzt geht die Sucherei wieder los … “Das Komma in der Erdnußbutter”.

Heute Nacht “Die Kameliendame” zu Ende gelesen. Fast alles falsch, was ich gestern darüber geschrieben habe. Der Roman hat eben doch eine kluge Dramaturgie. Und dass er vom Ende her erzählt ist, vom Tod der Heldin, wir also von Anfang an wissen, wie es ausgeht und trotzdem bei der Stange bleiben, zeigt, wie traumwandlerisch Dumas dieses rührende Stück inszeniert hat. Weil wir den Ausgang kennen, konzentrieren wir uns ganz auf den Gang. Und wenn es auszuhalten wäre, würde ich jetzt gleich “La Traviata” anschauen … 

Am 17. April 1944 wurde Max Josef Metzger, Katholik, Pazifist und Priester, im Zuchthaus von Brandenburg-Görden ermordet. 

 

Mittwoch, 16. April 2008 – Zehnuhrzweiunddreißig, achtkommaeins. Grau.

Und jetzt, nach den Wahlen in Italien, was sollen wir tun? Keine Pizza mehr essen? Die “Isoletta” boykottieren? Nie mehr zu “Eis-Christina” gehen?

Und das Erste, was man hört von Berlusconi, nach seinem neuerlichen Wahlsieg: “Harter Kurs gegen illegale Einwanderer …” 

Gestern Abend in “Kulturzeit” ein Beitrag von Theo Roos über Schiller. Wie immer, wenn dieser Mann am Werk ist: verwischte Bilder, Gewaber, sphärisches Geschwätz, frei von jeder Substanz. Und eine Stimme, so verblasen, so trantütig, dass die Baldrian getrost im Kasten bleiben können. C: “Zwei Sätze von diesem Typ und ich schalte innerlich ab.” 

Lektüre so nebenbei: “Die Kameliendame” von dem jüngeren Dumas. Wahrhaftig kein Meisterwerk des Erzählaufbaus, der Dramaturgie, des Stils. Und dennoch: er hat mich sofort am Wickel, so dass ich lese, lese, lese. Und dem unausweichlichen Lauf der Dinge entgegenbange.

Am 16. April 1947 wurde Rudolf Höß vor seiner ehemaligen Residenz in Auschwitz gehängt. 
 
Samstag, 12. April 2008 –Achtuhrneun, zwölfkommaneun. Sonne.

Gestern: Großen Bilderrahmen gebaut für das Haueisen-Bild, rumgetrödelt, ans Fenster gestellt, in den platschernden Regen geschaut, gedingst, hin- und hergemailt, traurigen Anruf von Jürgen bekommen, ins Auto, zur Tankstelle, Ratte auf der Straße vor dem Tengelmann gesehen, nach Herborn gefahren, im Regen, im Stau, rumgeredet, gegockelt, gepudelt, genervt, gelacht, mich über Guntram gefreut, nach Hause, müde, bißchen in “Nana” gelesen, Augen zugefallen, geschlafen. 

Warum, um Himmels Willen, stellt jemand einen Frankfurt-Text, den ich irgendwann geschrieben habe, in dieses Gästebuch? 

Aber der “Monk” ist schon klasse, oder?– Kannste wohl sagen! – Dauert halt immer, bis Du was mitkriegst …

Rudolf Rolfs ist tot, Gründer des “schlechtesten Theaters der Welt”.

Donnerstag, 10. April 2008 – Elfuhrdreizehn, sechskommaneun. Himmel zu.

Seltsam gestern. Während des ganzen Tages kein Telefon, keine Mails, nichts, niemand. Wäre ich nicht kurz in den Supermarkt gefahren, hätte ich nicht dem Kassierer ein Hallo gesagt und ihm zwei Minuten später einen schönen Tag gewünscht, wären die Stimmbänder bis zum Abend kalt geblieben. So wird das Alter …

Bis zum Abend, als das Haus sich füllte und Jürgen endlich mal wieder da war.

Die DVDs mit der ersten Staffel von “Monk” sind gekommen. Schwer gespannt … 

Über Haueisen so gut wie nichts: 1907 in Jockgrim in der Pfalz geboren, Sohn des Spätimpressionisten Albert Haueisen (1872-1954), war Filmarchitekt, Bühnenbildner, Maler, Kulturredakteur beim Deutschlandfunk und ab 1954 Kunstkritiker beim Sender Freies Berlin, für den er ein Fernsehfeature über Lovis Corinth gedreht hat. Arbeitete unter dem Pseudonym Hans René Conrath. Gestorben 1969. Auf der Rückseite von Halbakt, lesend: Hans Haueisen, Chemnitz, Parkstrasse 2

Langes Interview von André Müller mit Arno Breker gelesen. Dasselbe Muster wie bei Ernst Jünger, Leni Riefenstahl … Dieselbe trotzige Verweigerung jeder Distanzierung.
Und jetzt auch noch das hier entdeckt: “Helnwein visits Arno Breker, Hitler’s favorite artist, in his studio in Düsseldorf, and photographs him holding a picture of Joseph Beuys.” Und Warhol hat auch … 

Am 10. April 1919 wurde Emiliano Zapata in einen Hinterhalt gelockt und von Kugeln durchsiebt. 
Mittwoch, 9. April 2008 – Sechsuhrachtundzwanzig, fünfkommaeins. Dämmerig.

Gekommen ist der “Lesende Halbakt” von Hans Haueisen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tot ist der Schreiner Georg Elser. In einer Säule des Münchner Hofbräukellers hatte er eine Bombe mit einem Zeitzünder versteckt, die genau zur vorgesehenen Minute, nämlich am 8. November 1939 um 21.20 Uhr explodierte. Hitler, den die Bombe töten sollte, hatte jedoch seine jährlich hier gehaltene Rede verkürzt und war bereits wieder abgereist. Am 11. November drückte die sowjetische Regierung dem deutschen Botschafter “ihr Bedauern und ihre Entrüstung über den ruchlosen Anschlag von München, ihre Freude über die glückliche Errettung Adolf Hitlers aus der Lebensgefahr und ihr Beileid für die Opfer des Attentats” aus. Elser wurde festgenommen und als “Sonderhäftling des Führers” zunächst im Konzentrationslager Sachsenhausen, später in Dachau unter dem Tarnnamen “Eller” gefangen gehalten. Am 5. April 1945 ordnete Hitler seine Hinrichtung an. Der Chef der Gestapo, Heinrich Müller: “Folgende Weisung ist ergangen: Bei einem der nächsten Terrorangriffe auf München bzw. auf die Umgebung von Dachau ist angeblich ‘Eller’ tödlich verunglückt. Ich bitte, zu diesem Zweck ‘Eller’ in absolut unauffälliger Weise nach Eintritt einer solchen Situation zu liquidieren.” Am 9. April 1945 ermordete SS-Oberscharführer Theodor Heinrich Bongartz den Häftling Georg Elser durch einen Genickschuss.
 

 

Montag, 7. April 2008 – Fünfuhrachtzehn, einskommaneun. Seit drei Uhr wach, aufgejagt durch einen Traum. Schon Mal rausgeschaut? Alles weiß!

@planet.ms – Heißt das also, weil die Rote Armee die Deutsche Wehrmacht geschlagen hat, muss Stalin etwas von Kunst verstanden haben? 

Georg Herwegh ist tot.

Sonntag, 6. April 2008 – Sechzehnuhrzweiundzwanzig, siebenkommazwei. Aprillig. 

Am Mittwoch, kurz vor der Fahrt in den Westen, schaue ich auf die Seite des Arno-Breker-Museums, das untergebracht ist im Schloß von Nörvenich, einer kleinen Gemeinde im Kreis Düren, und stelle fest, dass die weltgrößte Sammlung mit Werken von Hitlers Lieblingsbildhauer nur an Sonn- und Feiertagen in den Monaten Mai bis September geöffnet hat. Also schreibe ich eine Mail, bitte um außerordentlichen Einlass und einen raschen Rückruf, da ich für Nullsechsneunüber das Museum schreiben möchte. Der Rückruf bleibt aus, ich fahre los, mache meine Sachen in Meinerzhagen-Bergheim-Olpe und habe zwischendurch Gelegenheit zu einem hoffnungslosen Abstecher nach Nörvenich, um wenigstens kurz um das verschlossene Schloss zu schleichen, dass sich seit 1980 im Privatbesitz der Familie Bodenstein befindet. 
Wieder daheim erwartet mich folgende Nachricht: “Sehr geehrter Herr Altenburg, …. Bei einem Beitrag so nebenbei auf die Schnelle ist zu befürchten, dass dieser zumindest so übel wird wie alle Medienberichte der letzten 60 Jahre über Arno Breker … Mit freundlichen Grüßen Joe F. Bodenstein.” 
Was ja nur heißen kann, dass der Sammler die Medienberichte aus jener Zeit für angemessener hält, die diesen 60 Jahren vorausging und als Breker das Prädikat “unersetzlicher Künstler” trug. Übrigens soll auch Stalin ihn überaus geschätzt haben. 

Tot sind Stephan Hermlin und Walter Boehlich. Ob die beiden Pfeife rauchenden, linken Bürger einander gekannt, womöglich gemocht haben? 

 

Mittwoch, 2. April – Fünfuhrneunundzwanzig. Achtkommanull. Noch dunkel. Flackernde Träume. Gestern Tisch und Bänke nach draußen geräumt. 

Inzwischen, sagt M., habe er oft Lust, den Rest seines Lebens einfach zu verdämmern, da man ja wisse, dass es sowieso irgendwann zu Ende gehe … Sich dem Vergehen einfach hingeben, sagt er. Womöglich mit Wollust.

Manchmal allerdings, sagt M., stehe er so sehr im Saft, glaube er, so sehr von innen heraus zu leuchten, dass er sich schon wundern müsse, dass die Leute nicht rundum auf den Bürgersteigen stehen blieben, um ihm zu huldigen, wenn er so langsam über die Straßen der Stadt radele, das Gesicht milde lächelnd der warmen Frühlingssonne zugewandt …

Gedächtnishilfe von Jörg:  “Jahrhundertalbum: Jackson Browne, Running on empty. Und das Album, das es nur auf Vinyl gibt: No Nukes. Live-Mitschnitt von Ende der 70er (Browne, James Taylor, Springsteen, Carly Simon, etc.) Und die Beautiful Losers gucken wir demnächst mal zusammen, oder ich leihe sie dir aus.”

Aus New York gekommen ist: C. J. Box, Blue Heaven. “Enjoy it!” wünscht Jessica von Minotaur Books. Mal sehen … Ähnliche Anfangsszene wie in Grishams The Client. Allerdings hinterläßt Grisham einen stärkeren Eindruck, da er sich mehr Zeit nimmt. Aber gut, wie auch bei Box das Befinden der Kinder nicht behauptet, sondern in Handlung und Dialog aufgelöst wird.

Ab heute wieder über die Dörfer …

Tot ist der Marquis de Mirabeau. Wie das schon klingt …
 

Dienstag 1. April 2008 – Sechsuhrdrei, fünfkommaacht. Dunkel.

Bin ich noch zu müde oder klingt diese Ankündigung wirklich, als sei sie nicht von dieser Welt:

31.03.2008  12:01 Uhr  POL-F: 08031 – 0383 Frankfurt am Main: Akademietag der katholischen Polizeiseelsorge – Frankfurt (ots) – Am 02.04.2008 findet zum Thema “Wachsende Verrohung und Brutalisierung in der Gesellschaft” ein Akademietag der Katholischen Polizeiseelsorge in Hessen in der Phil.-Theol. Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main statt. Wie in jedem Jahr widmet sich die Katholische Polizeiseelsorge anlässlich des jährlich stattfindenden Akademietages eines polizeilich und gesellschaftlich aktuellen Themas und versucht, dieses aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten.    Am Vormittag werden drei Referenten, darunter die Leiterin des Kriminologischen Instituts der Universität Gießen, Frau Dr. Britta Bannenberg, zum Thema referieren. Im Anschluss daran besteht die Möglichkeit, das Gehörte in Arbeitskreisen aufzubereiten und Fragen bzw. Statements zu erarbeiten, die in die am Nachmittag folgende Podiumsdiskussion einfließen. Die Veranstaltung ist öffentlich. Als Ansprechpartner für die Presse stehen der Leiter der Katholischen Polizeiseelsorge in Hessen, Herr Landespolizeidekan Alfred Heil, Tel. (06032) 9371336 und Herr Polizeipfarrer Wigbert Straßburger, Tel. (06207) 606833 zur Verfügung. Veranstaltungsort:   Phil.-Theol. Hochschule St. Georgen Offenbacher Landstr. 224, 60599 Frankfurt

Makarenko ist tot.